Da hat der Bürger wohl recht sparsam geguckt, als er das erste Mal so in seiner vollen Tragweite erfasst hat, was die Politiker uns jetzt zumuten werden. Und was schon interessant ist, wenn man mal genauer hin schaut, dann sieht man, wie sehr die Koalition jetzt ihr Gesicht zeigt. Den entgegen der Behauptung unserer Regierung, dass Wirtschaft und Sozialsysteme gleichermaßen belastet werden, ist es eher so, dass alles sehr einseitig zu Lasten des Bürgers geht.
Und dabei zeigt natürlich auch schon die Auswahl der Themen, wo die Schwerpunkte gesetzt werden. Künftig gilt beispielsweise eine neue Bemessungsrenze für das Elterngeld. Während die Hausfrau so vom Elterngeld nichts abgeben muss und die Frau des Besserverdienenden ohnehin kaum betroffen ist, sieht das für eine mit einem arbeitslosen verheiratete Krankenschwester schon anders aus. Die sieht nichts mehr vom Elterngeld und kann sich das Mutter werden künftig schlicht nicht mehr leisten. Passt aber natürlich ins konservativ-liberale Familienbild der Koalition.
Sollte man gar Hartz IV beziehen, fällt das Elterngeld gleich ganz weg. Das nennt man dann wohl „soziale Marktwirtschaft“ in Zeiten der Merkel-Westerwelle Koalition.
Noch schlimmer: ALG II Empfänger können es sich künftig nicht mehr leisten, in einer beheizten Wohnung zu leben, denn die Zuschüsse für die Heizkosten werden gestrichen. Übergangsgelder und Rentenzahlungen fallen für sie ebenfalls flach, was vor allem denjenigen trifft, der kurz vor Eintritt der Rente noch ALG II beziehen muss. Ebenfalls ein schlauer Schachzug: bisherige Pflichtleistungen bei der Arbeitsvermittlung werden in „Ermessensleistungen“ umgewandelt. Was ja faktisch nichts anderes bedeutet, als dass sie gestrichen werden. Mittel, die also dazu gedacht waren, Anreize für eine Wiederaufnahme der Arbeit zu schaffen, stehen plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Wie erklärte Ziele so erreicht werden sollen, weiß wohl nur Frau Merkel allein.
Auch an der Energiefront tut sich wenig. Subventionen für die gute, alte Steinkohle bleiben unangetastet. Noch schlimmer: Gleichzeitig wurden ja bereits Subventionen für erneuerbare Energien zurückgefahren. Für die Laufzeitverlängerung werden die Kernkraftwerke mit 2,3 Milliarden zur Kasse gebeten, was sich auf den ersten Blick schon so anhört, als würde die Industrie nun auch bezahlen müssen. Aber wenn man mal genauer hinschaut, dann wird einem klar, dass das ja nur eine Verlagerung ist. Die Regierung holt das Geld aus den Taschen der Energiewirtschaft, die ihrerseits ja freien Zugang im Rahmen ihres Monopols auf den Geldbeutel des Kunden hat.
Eine ökologische Luftverkehrsabgabe trifft auf den ersten Blick die Fluggesellschaften, die diese aber ebenso natürlich auch auf den Kunden abwälzen werden. Weitere 1,1 Milliarden, die dem Konsumenten einfach so mal weggenommen werden. Und der Bund genehmigt sich selbst eine Dividendenerhöhung bei der Bahn. Naiv, anzunehmen, dass die Ticketpreise vor diesem Hintergrund weiterhin auf hohem Niveau stabil bleiben. Nein, das Niveau wird natürlich noch höher werden. Bleibt nicht mehr viel übrig, was den Unternehmer wirklich belastet. Steuern werden da weder angedacht noch gar angedroht, man will es sich ja nicht mit den wertvollsten Mitgliedern der Gesellschaft, jedenfalls für die Spendenkassen der FDP, verderben.
Ja, da können wir unseren „Volksverrätern“ ja mal wieder uneingeschränkt Dank sagen. Und wer im letzten Jahr wirklich auf die leeren Versprechungen der „Liberalen“ reingefallen ist, der kann sich jetzt fragen, ob er das wirklich so haben wollte. Wenn man bedenkt, wie lange die noch im Amt bleiben, kann man nur sagen: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“. Deswegen denke ich nachts lieber an was anderes.
Schade, da wurde eine Chance verpasst. Klar, man spart ein paar Stellen in der Verwaltung ein, aber wer sagt denn, dass man nicht mehr Geld einnehmen würde, wenn man in der Steuerverwaltung endlich mehr Stellen besetzen würde? Macht man natürlich nicht, man will ja nicht, dass die womöglich noch einen reichen finden, der keine Steuern bezahlt hat. Auch im Bereich der Militärausgaben gäbe es Potential (zum Beispiel diesen Unsinn in Afganistan endlich zu beenden, das würde um die 1,5 Milliarden im Jahr sparen). Solche Ideen hat man aber nicht, wenn man aufrechter konservativ-liberaler ist (und anständiger Deutscher noch dazu). Was ich wohl nicht mehr bin, scheint mir („anständiger Deutscher“ dieser Definition bin ich übrigens gerne nicht). Wie sich die Zeiten doch ändern … :-(. Und womöglich gar solche ketzerischen Sachen in den Mund nehmen wie eine Vermögenssteuer, die außer in Deutschland eigentlich bei allen OECD-Staaten Realität ist, das kann man sich in diesem Land nicht leisten.
Dafür aber eine Regierung, die ganz offensichtlich gegen das Volk regiert und ausgerechnet ihren Wählern mit dem eng geschnallten Gürtel langsam die Luft abschnürt, die können wir uns leisten. Naja, jeder hat halt die Regierung, die er sich selbst verdient. Schade, aber da müssen wir jetzt durch.
Ausführlicher geht Jörg Berger für Telepolis darauf ein: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32772/1.html