Gauck ist schon eine interessante Personalie als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten. Die Frage ist nur, wem sie am meisten bringt. Wenn man so liest, was in der Presse geschrieben wird, könnte man jedenfalls fast meinen, dass man sich da schon einig ist, wer es denn werden soll.
In der Bundesversammlung, ist das natürlich noch alles andere, als klar. Dazu gibt es dort viel zu unterschiedliche Interessengruppen. Aber einige interessante Entwicklungen kann man bereits feststellen.
Trittin hat den Vorschlag gemacht, dass SPD und Grüne gemeinsam Herrn Gauck nominieren. Das war sicher ein genialer Coup, denn er stürzt die Schwarz-Gelbe Koalition in ein Dilemma. Man kann schlecht gegen Gauck sein, der auch gut von ihnen hätte nominiert sein können, aber man kann natürlich genauso schlecht gegen den eigenen Kandidaten Wulff sein. Damit würde man ja jede Glaubwürdigkeit verlieren, wenn man sich auf jemanden einigt, den man dann hinterher eigentlich gar nicht mehr will.
Trotzdem hört man von der FDP immer unverhohlener die Forderung, Gauck zu wählen. Ob die sich darüber im Klaren sind, dass das vermutlich ihr Aus bedeuten würde? Welchen Anspruch könnte eine Kanzlerin mit einer schwarz-gelben Koalition noch haben, wenn sie schon den eigenen Kandidaten nicht mehr durchgesetzt kriegt? Ob die FDP aber in einer eventuellen Neuwahl noch einmal ähnlich viele Stimmen erhalten würde, wie diesmal, das ist nun wirklich mehr als fraglich.
Es kommt aber noch besser. Die Linke kann, obwohl Gauck eigentlich ein Kandidat aus dem Osten ist, mit dem Vorschlag Trittins so gar nichts anfangen. Die hätte sich viel eher gewünscht, wenn sich Grüne und SPD zusammen mit der Linkspartei auf einen Kandidaten geeinigt hätte. Anzunehmen, dass eine Mehrheit der Linken für Gauck wählt, wäre insofern vermessen.
Noch schlimmer, Trittin könnte mit seinem Coup aufzeigen, wie wenig man sich auf die Linke verlassen kann. Denn einerseits kaut die natürlich immer noch an ihrer Vergangenheit. Es waren viele Politiker der Linken (damals PDS) betroffen, als Gauck mit seinem Feldzug gegen die IMs der Stasi begann. Das haben diese natürlich nicht vergessen und deswegen werden sich viele schwertun, hier für Gauck zu stimmen. Nicht umsonst, hat man sich lieber eine eigene Kandidatin gesucht. Sollte die aber nach den ersten Wahlgängen herausfallen, dann bleibt ja auch der Linken nichts anderes übrig, als sich zu entscheiden. Und da gibt es dann nur noch zwei Möglichkeiten. Ob man seitens der Linken nun lieber Wulff oder Gauck hätte, lässt sich leicht beantworten. Am liebsten keinen von beiden nämlich. Eine Enthaltung wäre aber ebenfalls fatal, denn die fehlenden Stimmen der Linken könnten so ohne weiteres Wulff ins höchste Staatsamt helfen. Das kann aber den Linken nicht recht sein, denn sowohl Grüne als auch SPD wären dann natürlich genötigt, die Linke dafür zu kritisieren, dass wegen ihrer Unentschlossenheit der Kandidat der Regierungskoalition ins höchste Staatsamt kommt. Die Linke ein Steigbügelhalter für Wulff – ein Alptraum für Gregor Gysi und die Linkspartei.
Dumm also auf der ganzen Linie. Für die Linke natürlich, für Trittin ist das höchst komfortabel. Kriegt rot-grün ihren Kandidaten durchgesetzt, war der Coup vermutlich ausreichend, um die derzeitige Regierung zumindest schwer zu beschädigen. Wenn nicht, dann hat er zumindest der eigenen Konkurrenz von links ordentlich einen Schwinger verpasst. Da kann er sich natürlich entspannt zurücklehnen und mal abwarten, was so passiert.