Hochzeit

Gestern wurde mal wieder geheiratet in der Familie, aber zumindest was die Familie meiner Frau angeht, wohl zum letzten Mal. Der Bräutigam war nämlich Anas jüngster Bruder, der letzte der Sippe, der noch nicht unter der Haube war. Das hat sich jetzt geändert, seit gestern ist er es auch. Ich hatte ja das Vergnügen, schon mal an einer Hochzeit teilzunehmen, damals allerdings als Hauptperson (Bräutigam). Das muss man nun nicht unbedingt jedem empfehlen, man sollte schon einigermassen Stressresistent sein, wenn man hier heiraten will, sonst wird es echt aufregend … :-).

Aber wer Gelegenheit hat, mal eine brasilianische Hochzeit aus Sicht des Besuchers zu genießen, der sollte sich das nicht entgehen lassen. Um so mehr, wenn er das Brautpaar gut kennt. Gestern hatte ich die Gelegenheit, das mal aus nächster Nähe beobachten zu können. Ich gehörte nämlich zusammen mit meiner Frau zu den Trauzeugen, die „auf der Bühne“ neben dem Altar stehen, während die Hochzeitszeremonie durchgeführt wird. Und das war durchaus vergleichbar mit dem, was ich damals erlebte. Unterschiede gab es aber, da es sich diesmal um eine rein katholische Zeremonie gehandelt hat.

Selbst der Ort war ein anderer. Andre ist auf jeden Fall der erste, der nicht in der Kirche vor Ort geheiratet hat, sondern in der Kirche Immaculada Conçecau, die nicht allzu weit entfernt gelegen ist. Etwa zwanzig Minuten mit dem Auto waren wir unterwegs gestern, bei durchaus angenehmem Wetter, wenn es auch etwas schwül war. Aber dafür hat es erst später geregnet, als es bereits Nacht war und wir das Fest danach genossen haben.

Vom Ablauf her jedenfalls war es ähnlich. Zuerst kamen die „Padrinhos“, also die Trauzeugen, von denen allerdings nur jeweils zwei für Braut und Bräutigam unterschrieben haben, danach der Bräutigam, dann das Blumenmädchen, das die Rosen an die Leute direkt am Mittelgang verteilt, und als alle Rosen hatten und diese wie einen Bogen in die Luft hielten, erschien die Braut. Danach dann noch Karen, die Tochter von Anas Bruder, die die Ringe bringen durften. Und dazwischen haben sie noch einen schönen Punkt aufgenommen, bei dem die Taufpaten von Andre einen Bibel hereinbrachten und sie dem Bräutigam übergaben. Symbolträchtig, weil die nämlich erst vor kurzem ihren dreiundfünfzigsten Hochzeitstag gefeiert haben …

Als dann alles vorbei war, gingen wir „um die Ecke“ in die nächste Querstrasse hinein, da hatte Andre nämlich einen Saal angemietet, der es in sich hatte. Richtig neu und schön, wenn auch geringfügig kleiner und anders aufgeteilt, als bei Anas und meiner Hochzeit damals. Und da ging dann das schon bekannte Ritual ab, wobei ich diesmal auf der Beobachterseite war, wenn auch als einer der Ehrengäste.

Etwa 300 Leute haben die Hochzeit besucht, das ist weniger, als bei unserer Hochzeit waren (damals sicher um die 500 Personen). Es gab Häppchen, von denen ich wenigstens mal was hatte. Es ist bei Hochzeiten in Brasilien nicht üblich, so was wie ein drei- oder fünf Gänge Menü zu servieren, sondern da werden Kleinigkeiten gereicht, das aber den ganzen Abend durch. Dazu natürlich Getränke, diesmal sogar mit Whiskey (Chivas Regal, 12 Jahre alt, für die, die sich auskennen ;-)). Nicht schlecht, wenn man nichts besseres zur Verfügung hat. Da sich meine Schwäger anscheinend das Ziel gesetzt hatten, diesmal allesamt richtig abzustürzen, wurde es ein feucht-fröhlicher Abend, den einige Familienmitglieder (ich eingeschlossen ;-)) mit leichten bis schweren Problemen am Folgetag bezahlten. Persönlich mitgekriegt habe ich den Tiefpunkt, als einer die Toilette umarmte (ich nicht 😉 mir ging es noch mit am Besten) und selbst habe ich einen schweren Kopf und leichte Probleme mit dem Magen. Aber im großen und ganzen, bin ich gut weggekommen ;-).

Erlebnisreich war auch das Verteilen der Krawatte. Ich hatte das schon früher bei meiner eigenen Hochzeit mal beschrieben, dabei werden Teile einer Krawatte an die männlichen Hochzeitsgäste verkauft. Begleitet wird der Bräutigam dabei von seinen Brüdern und engsten Freunden, die den Leuten das Geld aus der Tasche locken. Besonders gut darin ist Andres Bruder Flavio, der ist der geborene Verhandler. Wenn der was einkaufen geht an einem Ort, wo man handeln kann, dann tut mir der Verkäufer meistens schon Leid, der macht dann nämlich ein in der Regel nicht sonderlich gutes Geschäft ;-).

Es war jedenfalls ein Spass, der dem Bräutigam einen schönen „Honeymoon“ finanziert. Währenddessen dreht die Braut mit einem ihrer Brautschuhe ihre Runde und „beraubt“ die weibliche Besucherschar ihrer Finanzen, mit demselben guten Zweck, der dahintersteht.

Ja, das war eine schöne, wilde aber trotzdem entspannende Nacht. Und irgendwie hat man den Eindruck, obwohl alle heute etwas zerknautscht wirken, es hat uns gut getan, mal die Grenzen etwas zu überschreiten ;-).