Da sagt man mal was, ohne drüber nachzudenken, und schon regt sich halb Deutschland drüber auf.
Quelle: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/ein-innerer-reichsparteitag/
Zum Hintergrund: in der Halbzeitpause des Spiels zwischen Deutschland und Australien meinte Frau Müller-Hohenstein, dass es für Klose doch wie ein innerer Reichsparteitag sein müsse, dieses Tor erzielt zu haben. Und darüber regen sich nun alle auf, weil sie glauben, da wären gleich wieder die Nazis im Anmarsch.
Natürlich kann man sich fragen, ob die Formulierung in dieser Situation angemessen war. Man kann sich aber natürlich auch fragen, ob einen das wirklich so aufregen muss. Die „Welt“ hat sich das offensichtlich nicht gefragt. Für die war die Sache so weit klar, ohne allerdings zu bedenken, dass sie diese Formulierung des öfteren selbst benutzt haben. Sie haben es aber wohl inzwischen bemerkt: http://www.welt.de/kultur/article8043964/Innerer-Reichsparteitag-ist-Berliner-Mutterwitz.html
In England hat man gar schon vom „German Blitzkrieg“ geredet, wenn Deutschland sie mal wieder aus dem Wettbewerb gefeuert hat. Gefeuert wurde deswegen aber niemand. Das sieht man halt anderswo doch deutlich gelassener.
Eine gute Frage ist auch, was an der Diskussion jetzt eigentlich schlimmer ist. Die Tatsache, dass Frau Müller-Hohenstein sich möglicherweise selbst aus dem Fernsehen katapultiert hat, weil sie vielleicht geglaubt hat, man wäre in Deutschland mittlerweile im Reinen mit seiner Vergangenheit. Oder die Tatsache, dass die Mehrheit der Kommentatoren offensichtlich nicht mal weiß, wie der Spruch entstanden ist. Die Redewendung wurde nämlich nicht etwa von den Nazis erfunden. Sondern eigentlich eher von ihren Gegnern. Denn früher durfte man sich ja nicht „nach außen“ freuen, wenn den Herren mal einer richtig was auf die Nase gegeben hat. Deswegen erlebte man seinen „inneren Reichsparteitag“. Früher haben das also eher Gegner der Nazis erlebt. Vermutlich ist der zweite Weltkrieg einfach zu lange her. Weil man ja keine Ahnung hat und sich lieber nichts vorwerfen lassen will, schießt man deswegen lieber mal gleich kollektiv dagegen. Und wegen der Unkenntnis vieler deutscher, die nun künstlich zu hyperventilieren anfangen, diese ganze Aufregung? #fail, müsste man da im Twitter-Jargon sagen …
Komischerweise hab ich noch nie gehört, dass man sich über das Wort „Kindergeld“ aufgeregt hätte. Oder gar „Staatsakt“ oder „sichergestellt“. Nur weil die Nazis auch deutsch gesprochen haben, ist noch lange nicht jedes deutsche Wort verbrannt. Nur deswegen, müssen wir uns auch nicht vorschreiben lassen, wie wir reden. Und mal ehrlich – im Ausland lachen sie uns aus, wenn sie mitkriegen, worüber wir uns hier aufregen. Vermutlich sind das dieselben Leute, die heute Autobahnen benutzen und diese für eine wichtig Errungenschaft der Welt nach 1945 halten. Scheinheilig, so was.
Aber ist halt doch was dran, was man in „Neues aus der Anstalt“ letzte Woche hören konnte. Die Deutschen gehen allenfalls dann auf die Strasse, wenn ihnen verboten wird, Sportsocken zu den Sandalen zu tragen (=Analogie zu dem „inneren Reichsparteitag“). Wegen was wirklich wichtigem, wo sich das lohnen würde, regt sich keiner auf. Kein Wunder, dass unsere Politiker leichtes Spiel mit uns haben.
Zum Abschluss noch ein Zitat aus der Bibel: „Wer von euch ohne Schuld ist, der werfen den ersten Stein“.