Ja, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Der siebenmalige Sieger der Tour de France (von dem es angeblich sechs positive Befunde auf EPO gibt) und Radrenn-Gigant Lance Armstrong, will sich wieder aufs Fahrrad schwingen, um bei der nächsten Tour nach dem achten Triumph zu greifen. Hat er darauf eine Chance?
Ob er hat oder nicht, Auswirkungen hat seine Ankündigung jetzt bereits. Ob es einen interessiert, oder nicht, an vielen Stellen wird bereits wieder die übliche Meinungsmache betrieben.
So zum Beispiel bei der ARD, die wieder einmal die Boxhandschuhe anzieht, um sich gegen das Doping im Radsport mit aller Macht zur Wehr zu setzen. Bis hin zur Absetzung, wie ARD und ZDF das ja schon mal vorexerziert haben. Auf Kosten der Gebührenzahler, deren Geld man für die Rechte verschleuderte, die man dann nicht mehr nutzen wollte…
Aber vermutlich wird dasselbe passieren, wie damals auch: Die Tour wird einfach den Veranstalter wechseln und auf Eurosport und Sat1 weitergesendet werden.
Denn beim Radfahren auf diesem Niveau geht es vor allem um Einschaltquoten und natürlich um den allgegenwärtigen Kommerz. Interessiert es da wirklich noch jemanden, ob einer von diesen Herrschaften nachgeholfen hat, um diese ungeheure Leistung zu erbringen?
Zumal man ja auch konstatieren muss, dass die Radfahrer immer noch selbst die Berge hoch müssen und wenn ein gedopter Fahrer, der hinten fährt, gegenüber einem gedopten Fahrer, der vorne fährt, einen Rückstand von mehr als einer halben Stunde einfährt, dann zeigt das, dass man eben nicht nur durch Doping oben ankommt. Betrogen haben ja alle, ist es dann schon wieder ok?
Nein, natürlich nicht. Die Regeln sagen noch was anderes. Aber vielleicht ist das ja wie mit dem Rauchen: Wenn man den Sumpf nicht trockenlegen kann, dann muss man das Dopen halt einfach erlauben. Einfach? Einige Sportler aus der ehemalige DDR können davon ein Lied singen, dass das alles andere als einfach ist. Rücksichtsloses Dopen ohne auf den Körper zu achten, führt zu allem möglichen, nur nicht dazu, dass die Menschen, die sich solches antun, auch wirklich gesund bleiben. Erst wenn das sichergestellt ist, dann ist – meiner persönlichen Meinung nach – eine Basis gegeben, das Doping zu legalisieren. Denn wenn es jeder tut, dann ist es auch gleich weniger interessant, zu betrügen.
Andererseits passiert dann vermutlich dasselbe, wie im Motorsport: Der mit dem größten Geld, wird auch gewinnen, weil nur er sich die entsprechende Behandlung auch leisten kann. Ob das dann noch gerecht ist, sei dahingestellt. Aber gerecht ist es doch – wenn man mal ehrlich ist – schon lange nicht mehr. Zumindest wäre es dann nicht ungerechter, als in vielen anderen Sportarten.
Was haben denn die hochgezüchteten Doping-Bomber des Radsports schon seit Jahrzehnten auf den olympischen Spielen verloren? Und die Sprintermaschinen, die in Doping-Paradiesen beheimatet sind, wo sie noch nicht mal gelernt haben, den entsprechenden Fragebogen auszufüllen? Warum schreitet ARD und ZDF eigentlich nicht bei den olympischen spielen ein, wird da nicht gedopt?
Ich kann mich noch gut an den Sportschützen erinnern, der gedopt hat und erwischt wurde bei der diesjährigen Olympiade. „Wie kann man denn da dopen?“ fragte ich mich und wurde gleich darauf aufgeklärt: Beta-Blocker helfen dabei, den Puls ruhig zu halten und das führt dazu, dass das Schießergebnis genauer wird. Ja, darauf muss man erst mal kommen. Beta-Blocken gegen das innere Zittern, das einen dauernd die Pistole verreissen lässt. Und da will mir einer erklären, dass das Ausnahmen sind?
Die ARD und das ZDF störte das jedenfalls nicht sonderlich. Natürlich, die üblichen Betroffenheits-Dokumentationen wurden gesendet. Aber keiner kam auf die Idee, dass man Olympia aus dem Programm nehmen könnte.
Wieso auch? Da kann man ja richtig Geld verdienen. Ob ein paar Radsportfans verärgert werden, das ist halt einfach eine andere Kategorie, als ob gleich die ganze sportbegeisterte Nation nicht mehr zuschauen darf.
Eine herrliche Doppelmoral, die hier gepflegt wird. Wenn schon, dann bitte Konsequent, ihr Herren von den öffentlich-rechtlichen. Einen auf Moralapostel machen und dann mit zweierlei Mass messen, das nimmt euch keiner ab.
Doping oder nicht? Im Augenblick lautet für mich die Antwort ganz einfach: Doping – nein danke. Und wenn man dafür schon Regeln hat, dann muss man auch darauf vertrauen, dass sie eingehalten werden. Tut man das nicht, muss man überwachen und darauf vertrauen, dass genau genug hingeschaut wird. Traut man auch den Kontrolleuren nicht, dann muss man eben diese kontrollieren und sich darauf verlassen, dass man irgendwann alle Eventualitäten berücksichtigt hat.
Ist das naiv?
Ja, kann schon gut sein. Aber vertrauen tue ich auch unserer Justiz. Und da ist es ja nicht weniger naiv, wie man immer wieder feststellen muss. Trotzdem würde keiner auf die Idee kommen, das in Frage zu stellen. „Die Demokratie ist die beste von allen schlechten Staatsformen“. Weiß nicht mehr, von wem das Zitat stammt, aber es ist eben auch hier anwendbar. Wenn es Regeln gibt und sich Leute nicht daran halten, dann muss man sie erwischen. Und wenn es Strukturen gibt, die sie schützen, dann muss man diese Strukturen aufbrechen. Eine pauschale Verurteilung, tut keinem gut, weder dem Sport, noch den Sportlern, noch dem Zuschauer.
Und schon gar nicht den öffentlich-rechtlichen.
Die Tour de France nicht zu bringen, schadet dem Ansehen der öffentlich-rechtlichen deutlich mehr, als sie zu bringen. Man kann ein solches Podium schließlich auch positiv nutzen. Und das exerziert man ja auch immer wieder vor. Nur hört man dann irgendwann auf und lässt den Zuschauer im Regen stehen. Der schaut sich das dann woanders an und wird dort eventuell deutlich weniger über die Hintergründe aufgeklärt.
Nein, das hilft dem Sport nicht.
Und dabei geht natürlich auch unter, wofür Armstrong das tut: Um Aufmerksamkeit für seine Stiftung gegen den Krebs zu erregen, mehr Aufmerksamkeit, als er ohne diesen Versuch eines Comebacks wohl jemals kriegen würde. Da vermischen sich mal wieder moralische Ansprüche und zweifelhafte Methoden, ein gestecktes Ziel zu erreichen. Fakt ist jedenfalls, dass Armstrong sich von seinem Leiden befreien konnte und das mit einer geradezu erstaunlichen Konsequenz. Insofern ist er auch ein Beispiel, ein sehr positives sogar. Ob dieser Weg der Richtige ist, um auf sein Anliegen aufmerksam zu machen, sei dahingestellt. Es ist auf jeden Fall ein tauglicher.
Quellen: http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,580386,00.html