Tour de France ohne ARD und ZDF

Jetzt machen sie also ernst, die öffentlich-rechtlichen, mit ihrem totalen Boykott des Profi-Radsports. Oder ist es doch nur die Tour, die erst mal dran glauben muss? Wie geht es im hessischen Rundfunk weiter, der ja Radsport sehr häufig im Programm hat? Wie auch immer, auf jeden Fall stehen die Chancen auf Radsport bei den durch Gebühren der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland finanzierten Programme ziemlich schlecht.
Ist das jetzt gut? Gute Frage. Mal sehen, was die Faktenlage bisher so hergibt.
Nachdem in den letzten Jahren immer mal wieder ein Fahrer beim Doping erwischt wurde und deswegen die Tour immer wieder von Szenen wie boykottierenden Radfahren oder Fernsehanstalten getrübt wurde, will man dem Doping nun an den Kragen. Man hat sich zum Ziel gesetzt, den Sport sauber zu bekommen. Das will man erreichen, in dem man die Kontrollen verschärft, die Fahrer und Rennställe bei der Ehre packt und außerdem auf den wissenschaftlichen Fortschritt setzt.
Dieser scheint sich langsam auf einen Stand zuzubewegen, der es wirklich ermöglicht, Dopingsünder auch zu erwischen. Und das lässt natürlich Spannung aufkommen. Unlängst sind zwei Verfahren patentiert worden, mit denen das EPO-Medikament CERA und Insulin als Dopingmittel nachgewiesen werden können. Mit diesen Verfahren, sind nicht nur die Proben der Tour untersucht worden, bei denen man dann ja Schumachers und Kohls positive Proben entdeckt hat, sondern es werden auch alle Proben der olympischen Spiele neu untersucht. Was dabei noch alles herauskommen kann, welche Zeitbomben in diesen Proben ticken, wer kann das schon sagen?
Auf jeden Fall kann man eines sagen: Es ist gut, dass es ein Regelwerk gibt, dass den Sportler zur Ehrlichkeit verpflichtet. Wenn er sich darüber hinwegsetzt, dann spielt er mit seiner Glaubwürdigkeit, der seines gesamten Sportes und geht noch eine Menge gesundheitlicher Risiken ein, die der Sportler an sich wohl kaum überschauen kann. Was tut man denn nun aber dagegen?
Man verpflichtet den Sportler zum Beispiel zu einer gewissen Meldepflicht. Deswegen werden in den Ländern, in denen eine solche besteht, auch immer mal wieder Sportler erwischt. Sicher geht es dem einen oder anderen auch mal an den Kragen, obwohl er nichts getan hat. Weil er vergessen hat, sich abzumelden, zum Beispiel, und der Kontrolleur nun vor der Tür steht und keinen Sportler antrifft. Das kann passieren, ist aber noch kein Grund für ARD und ZDF nicht übertragen zu wollen.
Und die Kontrollen werden auch immer intensiver, das Netz immer engmaschiger gezogen. Was erwarten ARD und ZDF eigentlich? Dass man mit den Fingern schnippt und schwuppdiwupp sind alle Probleme aus der Welt geschafft? Dass man hier Druck machen muss, das ist verständlich und gerechtfertigt. Den macht man aber nicht, wenn man das Problem totschweigt. Das ja auch mitnichten auf den Radsport beschränkt wurde, eine Olympiade abzusagen, hat ARD und ZDF jedenfalls noch nicht gewagt. Auch bei Fussball-WM und EM hat man davon nichts verlauten lassen. Sind das Events zweiter Klasse? Oder kann man sich das nur nicht erlauben, weil die Quoten und das Interesse dafür viel höher ist? Warum hacken die öffentlich-rechtlichen Anstalten also so auf dem Radsport herum?
Vollkommen unverständlich wird das aber eigentlich durch die Begründung. Denn letztendlich sagen ARD und ZDF ja nichts anderes als dass sie auf die Übertragung verzichten, weil man Sportler beim Doping erwischt. Ja, was ist denn daran nun das Problem? Ich dachte eigentlich, das wäre der Sinn der Sache? Wenn man nach Sündern sucht, dann findet man vielleicht auch welche. Zu erwarten, dass jetzt aus lauter Angst alle von heute auf morgen das Doping eingestellt haben, ist wohl ziemlich blauäugig. Dahin kommen wir nur, wenn wir damit knallhart weitermachen, Leute, die erwischt wurden, an den Pranger stellen, damit dem Nachwuchs zeigen, wohin das führen kann, wenn man sich nicht an die Regeln hält, demonstrieren, dass man auf jeden Fall irgendwann herauskriegt, was da gemacht wurde und so langsam das Bewusstsein der Sportler auf die „neuen Zeiten“ umerzieht. Denn anders kann das nicht gehen.
Und da haben ARD und ZDF doch eigentlich das Beste in der Hand, was man haben kann: Sie haben die Rechte, um die Tour zu übertragen. Die Möglichkeit, mit Hilfe geständiger Fahrer als Experten auf das Problem hinzuweisen, den Sport zu demaskieren, die Sportler aus ihrer Anonymität zu jagen und sie vor sich her zu treiben, bis auch der letzte begriffen hat, worum es hier geht.
Und was machen die? Sie geben dieses tolle Instrument aus der Hand, lassen lieber zu, dass der Sport insgesamt beschädigt wird, und das in einem Land wie Deutschland, wo langsam neben jeder Strasse auch noch ein Radweg verläuft, in dem der Radsport also vor allem als Freizeitsport eine ungeheuer wichtige Rolle spielt. Das ist absolut unverständlich und dazu schadet es dem Radsport weit mehr als ein dopender Sünder, den man wirklich erwischt, aus dem Verkehr zieht, als abschreckendes Beispiel nutzt, um damit den Radsport und viele anderen Sportarten wieder sauber zu kriegen.
Und die Politik macht dabei noch mit, wenn sie dem Breitensport die dringend benötigten Mittel entzieht. Denn was der BDR da erhält, das kommt ja nicht nur den Profis zugute. Wer darunter am Ende leiden wird, das ist ja wieder klar: Der, der hierzulande immer der Dumme ist.
Der Steuerzahler. Der nebenbei auch noch ein klein wenig Radsport betreiben will und sich dafür vermutlich künftig ein Crosscountry-Fahrrad zulegen muss, weil es die schönen Radwege vielleicht bald nicht mehr gibt.
Damit beantwortet sich eigentlich auch schon die oben gestellte Frage: Es ist nicht gut. Es ist einfach nur schade. Nur weil ARD und ZDF keine Spass mehr dran haben, nehmen sie den Leuten den Spass daran nun auch, indem der Bildschirm lieber mitüberflüssigen Kopien schlechter Unterhaltung auf anderen Kanälen gefüllt wird. So werdet ihr die Chance, wieder Qualität ins Fernsehen zu bekommen, wohl kaum nutzen können. Und deswegen kann man eigentlich nur ausrufen: Geben Sie es denen, und zwar gründlich, Herr Reich-Ranicki! Ob das Forum mit Gottschalk da allerdings das Richtige ist, das werden wir sehen …

Quelle: http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,584821,00.html