Ein Traum?

Die Wahlen sind vorbei und wir kommen langsam wieder in der Realität an. Da haben wir immerhin etwas länger gebraucht, als die Börsen, die schon seit gestern wieder auf Talfahrt sind und eindrucksvoll demonstrieren, dass da umfangreiche und schwierige Aufgaben auf den neuen Hoffnungsträger der ganzen Welt zukommen.
Martin Luther King hat gesagt:

„I have a dream“

Und dieser Traum bestand im Wesentlichen darin, dass seine vier Töchter in einer Welt aufwachsen, in der die Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, in der jeder das erreichen kann, was er will. In der Nacht vom 4. auf dem 5. November, so gegen 5:00 Uhr morgens deutscher Zeit, dürfte dieser Traum Wahrheit geworden sein. King hat das nicht mehr erlebt, seine Töchter aber sehr wohl.
Für viele ist da ein Traum in Erfüllung gegangen, für andere hat gerade ein Alptraum begonnen, denn natürlich gibt es sie noch, die Republikaner, vor allem der konservativ-religiöse Flügel der Partei, der zumindest kurzfristig in Sarah Palin so etwas wie eine Ikone gesehen hat. Aber im Augenblick sind sie sehr ruhig geworden. Vielleicht nicht einmal intern, nach außen hin aber sehr wohl, wie auf der amtierende Präsident mit seinem kurzen Statement bewiesen hat. Alle beschwören die Obamania, alle loben, das historische Ergebnis und wollen die eigene Niederlage erst mal vergessen machen, aber das passt auch irgendwie zu diesem widersprüchlichen Land, das acht Jahre lang sehenden Auges in den Untergang gesteuert ist, um dann schweißgebadet aus dem Alptraum zu erwachen und sich „neu zu erfinden“, wie das Mantrahaft seither immer wieder betont wird.
Haben sie das wirklich? Das kann wohl nur die Zeit zeigen. Fest steht jedenfalls, dass der neue Präsident sich gut vorbereitet hat. Er ist bereits dabei, sein Team zu formieren, die Hände nach den Republikanern auszustrecken, im Bewußtsein, dass es ohne eine Art „großer Koalition“ nicht gehen wird. Er bringt seine Männer in Stellung, denn es kann gut sein, dass er schon vom ersten Tag, am 20. Januar 2009 an, volle Leistung erbringen wird. Da macht es Sinn, das Segelschiff bereits jetzt zu bemannen und die Drills mit den Leuten immer wieder durchzugehen, damit der Kahn nicht sinkt, wenn der bisherige Lotse mit seiner immerhin erfahrenen Mannschaft von Bord geht. Und dass bei den Republikanern nur Trottel im Amt waren, kann man ja nun nicht behaupten, das hat eine Condoleza Rice eindrucksvoll bewiesen.
Ein Jahr reicht nicht, das hat der Hoffnungsträger schon klar gestellt. Vielleicht nicht einmal eine Amtszeit und mit wahrscheinlich auch keine zwei. Vielleicht reicht nicht mal ein halbes Leben, um den Schaden wieder gutzumachen, der da acht Jahre lang angerichtet wurde. Das Haushaltsdefizit ist so groß wie es vielleicht noch niemals war, dazu steht man ja noch in zwei Kriegen und muss nebenbei auch noch Geld für die kranke Finanzwelt locker machen. Ach ja, und da waren ja noch ein paar Wahlversprechen, für die dann praktisch schon kein Geld mehr übrig bleibt.
Da bleibt ja eigentlich nur die Hoffnung, dass Obama das unmögliche möglich macht und die Weichen stellen kann, so, dass bereits in vier Jahren deutlich sichtbar wird, wohin die Reise gehen kann. Und einen Nachfolger präsentiert, der die Hoffnung auf „Change“, den er eineinhalb Jahre lang beschworen hat, am Leben erhalten kann.
Aber das sind Sorgen von Morgen. Jetzt freuen wir uns lieber erst mal mit den Amerikanern und der ganzen Welt über diese „historische Stunde“, zu der ein Traum wahr gemacht wurde.