Was ist Midori?

Was soll denn das sein, fragte ich mich, als ich den Begriff im Zusammenhang mit einer Suche nach „Windows 8“ zum ersten Mal gelesen habe. Die nächste Version, der nachfolger von Windows Vista, ist derzeit unter dem Codenamen „Windows Seven Vienna“ bekannt und wird kräftig entwickelt. Denn anscheinend bin ich nicht der einzige, der so seine liebe Not mit dem neuen „großen“ Wurf aus Redmond hat. Nein, es sind mächtigere Konzerne, die den Druck auf Microsoft natürlich eher ausüben können, als das einsame Statement eines frustrierten Early Adopters, der schon DOS auf dem Rechner hatte.
Unternehmen wie Intel etwa, die angekündigt haben, auf das nächste Release zu warten und Vista auf den eigenen Rechnern nicht einzusetzen. Grund sind hier Inkompatibilitäten mit bestehender Software, also nicht etwa zu schwachbrüstige Rechner.
Aus ähnlichen Gründen wird auch Daimler auf den Einsatz von Vista im Unternehmen verzichten und gibt als Ziel Windows 7 plus den Nachfolger von Office 2007 aus.
Und was man bisher so von Windows 7 hört, ist ja auch durchaus vielversprechend. Mini-Kernel, ist ein Stichwort, das man da hört. Ein Kernel also, der nur das nötigste beinhaltet und den Rest dann über .Net zur Verfügung stellt. Schlau zwar, aber auch noch nicht die ultimate Lösung, denn auch .Net frist Ressourcen. Ob der Rechner, der den Nachfolger von Vista tragen darf, also nicht auch ein Rechengigant sein muss, ist damit noch nicht gesagt.
Im Moment scheint Windows 7 jedenfalls ein verbessertes Vista zu sein, und das kann alleine noch nicht schlecht sein.
Aber was ist dann Midori?
Natürlich kann es nicht ewig so weiter gehen. Auf Windows 4 (die 9.x-Serie) folgte Windows 5 (2000 und XP) und schließlich Windows 6 (Vista). Jetzt dann Windows 7. Und vielleicht auch noch 8. Und 9. Wie weit wird es gehen? Auch Microsoft ist jedenfalls klar, dass es nicht ewig so weiter geht. Seit Mai diesen Jahres, kursiert das Schlagwort Midori im Web. Ein Gerücht zunächst, das aber wohl mehr als nur einen Kern wahrheit enthält. Denn das Microsoft einen Nachfolger für Windows aufbauen wird, ist alles andere als dumm. Es ist logisch und absolut zu erwarten. Wann der kommt, ist noch die Frage. Aber kommen wird er.
Warum?
Nun, wenn man heute bereits sieht, wie sich die Welt auf dem Rechner verändert hat, wird einem das schnell klar. Früher waren Applikation und Betriebssystem eng miteinander verknüpft, das eine ohne das andere nicht möglich. Leider ist das System aber ein durchaus empfindliches. Fehlt ein Treiber, ist schon die Kommunikation mit der Hardware nicht mehr möglich. Das Wissen, welche Hardware man hat und welcher Treiber zu genau dieser Version passt, ist unerlässlich, auch heute noch. Das soll aber in Zukunft nicht mehr so sein. Teilweise ist das ja schon Realität, egal ob man jetzt Java oder .Net anführt, beide arbeiten mit einem neuen Layer, der über dem eigentlichen Betriebssystem liegt. Im Falle von Java, funktioniert, das über den Browser. Egal auf welchem System, es ist nur ein Browser nötig und schon funktioniert das Java-Applet. Bei .Net ist es nicht so einfach, denn es setzt immer noch ein Windows als Wirt voraus. Aber vieles ist heute ja bereits übers Web machbar. Google bietet zum Beispiel eine Art Office Online an. Bookmarks lassen sich im Web ablegen, müssen nicht mehr auf den heimischen Rechner. Auch Speicherplatz ist online verfügbar. Das System ist eigentlich fast nur noch da, um mich ins Web zu bringen.
Und wenn es daran schon scheitert …
Fakt ist jedenfalls, dass das ein Trend ist, den Microsoft mit ihren „Live“-Innitiativen noch fördert. Und damit ist eine Komponente von Midori schon klar: Ressourcen übers Web ausnutzen, verteiltes Computing, auch heute als „Cloud“-Computing bekannt.
Eine andere dürfte sich mit Virtualisierung befassen. Ein Hypervisor, der auf dem Mini-Kernel aufsetzt, der tatsächlich noch mit der echten Hardware kommuniziert, kann alles simulieren, was das jeweilige Programm benötigt. Gaukelt ihm quasi etwas vor, was vielleicht gar nicht da ist. Und Software, die auf dem Hypervisor läuft, läuft natürlich genauso auch auf einem anderen Hypervisor. Mit .Net hat man das im kleinen schon vorexerziert, Handy, Laptop, PDA, alles kann mit derselben Software arbeiten.
Und Midori will das alles vereinigen, ein universelles Mega-Windows, eine Art eierlegende Wollmichsau, die alles kann und dazu fast nichts benötigt. Das wäre schon eine erstrebenswerte Zukunft.
Bedingt jedenfalls.
Einem Firmen-Admin ist es jedenfalls genauso schwer zu vermitteln, wie einem interessierten Privatnutzer, dass seine Daten in der Unsicherheit der weiten Web-Welten gespeichert sein müssen, während sie gleichzeitig in der Welt herumgeschickt werden, vom heimischen Rechner auf den weit entfernt stehenden Server (ob jetzt bei Google oder Microsoft) und wieder zurück. Oder ob eine etwas anspruchsvollere Aufgabe wirklich übers Web durchgerechnet werden soll, wo jeder dabei zusehen und die Daten abgreifen kann. Da wird noch einiges auf die Erfinder des Betriebssystems der Zukunft zu kommen. Sicherheit ist genauso wichtig, wie die Frage, ob die Performance der zugrundeliegenden Hardware in der Lage ist, die Software auf dem Hypervisor wirklich flüssig auszuführen.
Und ob Google oder Microsoft die richtigen sind, um mit den Daten der User, egal ob Privat oder Firma, zu arbeiten, ist noch mal eine ganz andere Frage.
Der Ansatz ist aber in jedem Fall korrekt. Nur, genauso, wie die Musikindustrie oder die Filmwirtschaft Kontrolle über ihre Inhalte haben will, will ich das halt auch. Datenschutz, Recht auf eigene Daten und Kontrolle über deren Verwendung, sind ja heute, ohne diesen Ansatz, bereits Illusion. Wie soll das da erst mit Midori werden?
Oder wie auch immer das mal heißen wird?
Wie auch immer, wir werden es vermutlich erleben. Denn der Zeitrahmen wird auf „später als 2009, aber bevor Steve Ballmer in Rente geht“ geschätzt.
Steve Ballmer ist 51. Die Chance, das noch zu erleben, wäre also da. Und wer weiß, vielleicht ist das ja der Anfang einer neuen Liebe zum guten, alten Windows.
Oder Anlass für noch mehr Ärger.
Schaun mer mal …

Quelle: http://www.spiegel.de/netzwelt/tech/0,1518,569940,00.html